Steyr 50: Der erste Steyr Typ 50 auf Probefahrt in Afrika. 6000 km in 8 Tagen
Unter den vielen zehntausenden Kilometern, über welche die Steyr Versuchswagen der Type 50 geschickt wurden, sind insbesonders 6000km bemerkenswert, die Direktor Stellvertreter Ing. Ernst Rausch vom 2. bis 13. Jänner also in elf Tagen zurückgelegt hat. Die Steyr-Werke schickten den Kleinwagen Typ 50 kurzerhand in die Sahara um den Motor, Getriebe, Achsen und den gesamten Antriebsstrang bei unmittelbar wechselnden, sehr hohen und sehr tiefen Temperaturen im praktischen Einsatz zu testen. Die Fahrt begann am 2. Jänner 1936 von Steyr aus und ging über Salzburg, Innsbruck, Bozen nach Verona. Der Loferer-Steinberg war stark vereist, hingegen der Brenner vollkommen schneefrei. Dieser Teil war infolge außerordentlich dichten Nebels einer der unangenehmsten während der ganzen Reise. Die Ankunft in Innsbruck erfolgte um 13 Uhr in Verona um 20 Uhr. Am nächsten Tag gings von Verona bei starken Nebel über Brescia nach Mailand, wo der Steyr Typ 50 um Mittag eintraf. Dann ging es weiter nach Genua entlang der Riviera di Ponente, nach Ventimiglia, die Cote d Azur – Monte Carlo, Nizza, Cannes wurde passiert und schließlich nach Marseille erreicht. Dort erfolgte die Verschiffung mit aufregender Kranverladung, der nie zuvor ein Steyr 50 ausgesetzt war.

Bei äußerst stürmischen Seegang wurde am 4.Jänner das Mittelmeer gekreutzt bis nach Algerien. Das Ausladen des Steyr Wagen erfolgte am 6. Jänner um 14 Uhr, und zwar mit siebenstündiger Verspätung im Hafen von Algier. Von da ging es auf leidlich guten Straßen und bei einer Temperatur von 20 Grad Wärme über Blida nach Boghar. Die Nächte dafür waren eisig kalt, also gerade das richtige, um den Steyr 50 tüchtig zu erproben. Von Boghar auswurden verschiedene Versuchsfahrten in Richtung Teniet-el-Had (Massif de l Ouarsenis) unternommen. Am gleichen Tag ging es wieder nach Algier zurück, um am nächsten Tage den Steyr 50 einer ganz besonderen Zerreißprobe zu unterziehen. Die Tages- und Nachttestfahrten wurden so geplant dass siein das Atlasgebirge und zu den nahen Oasen am Rande der Sahara führten. Am frühen Morgen des 8. Jänner fuhren Ing. Rausch, begleitet von einem sprachkundigen Einheimischen Araber, wieder durch die Plaine de la Mitidja nach Blida, überquerten den Atlas de Blida, erreichte Medea, um das zwischen dem Massif de Ouarsenis und den Mounts du Titeri gelegene Boghari zu erreichen, nachdem das Hauts-Plateaux (Hochland der Schotts) in seiner ganzen Breite überquert worden war, wurde in El-Mesran (zwischen den beiden Schotts Zahrez-Rarbi und Zahrez-Chergui), etwa 1100 hoch gelegen, zwecks einiger Fotoaufnahmen ein kurze Rast eingelegt.

Bald ging es aber wieder weiter entlang den Hängen des Rocher du Sel windet sich die sogenannte Straße hinauf nach Djelfa, 1145m hoch gelegen und zugleich die größte Ansiedlung in den Monts des Ouled-Nail (Sahara Atlas). Über den Col des Caravanes 1272m wird Ain-el-Ibel und nach einer weiteren scharfen Fahrt, wurde das Ziel die französische Festung Laghouat erreicht. Ähnlich wie bei Biskra ist Laghouat jedoch weit südlicher, im Territoire du Sud liegend Einfallstor in die Nord Sahara, und so konnte die kleine Steyr Expedition daher echte Kamelkarawanen sehen und Freundschaft mit richtigen Söhnen der Wüste schließen.

Leider musst bald wieder an die Rückreise nach Algier gedacht werden, und die Stadt ist tatsächlich noch am gleichen Tag um Mitternacht erreicht worden.

Am 9. Jänner erfolgte wieder die Verladung aufs Schiff zur überfahrt nach Marseille, von wo die Fahrt nach Nizza fortgesetzt wurde. Im Anschluß daran erfolgte eine neuerliche Parforcetour, wieder bei dichten Nebel, bis Mailand. Am 12. Jänner gings heimwärts über Verona, Bozen, Brenner, bis Innsbruck wo die Fahrt unterbrochen werden mußte. Für den Steyr 50 aber bot sich eine neuerliche Gelegenheit zur Prüfung hinter Wörgl in Form einer 1 Meter hohen Schneedecke. Rausch ließ es sich nicht nehmen, trotzdem zu starten, und machte sich und den Steyr 50 noch zum Wegmacher für die anderen Nachkommenden dieser Tage! Dem Steyr 50, den die afrikanische Temperatur im wahrsten Sinne des Wortes kalt ließ, konnte auch der Schnee nichts anhaben, er kletterte unentwegt und nimmermüde wieder über die Loferer-Steinberge, so daß Rausch um 16 Uhr bereits in Salzburg eintraf. In weiteren zwei Stunden war man wieder am Ausgangspunkt dieser Blitzreise in Steyr eingelangt. Die Überfahrten abgerechnet, verbleibt eine reine Fahrzeit von acht Tagen. Der Steyr 50 erzielte somit eine Durchschnittsleistung von 750km per Tag!
Auf der ganzen Testfahrt gab es mit Ausnahme eines einzigen Pneudefekts nicht die geringste Störung am Motor und der Karosserie. Es bedarf wohl keiner weiteren Hinweise, um die außergewöhnliche Leistungsfähigkeit dieses viersitzigen Einliterwagens auf den ersten Blick hin zu erkennen.
Ein anderer Qualitätsbeweis wurde auf der Strecke Steyr – Amstetten erbracht. Monatelang “plederte“ ein Testfahrzeug in „Hase-und-Igel-Manier“, zwischen den beiden Orten im Schichtbetrieb hin und her, bis der Kilometerzähler 80.000 anzeigte, wobei auf diesen Fahrten das Fahrzeug auf Herz und Nieren getestet wurde und dabei keine nennenswerten technische Probleme festgestellt wurden.
Das Auto verkaufte sich recht gut, besonders an weibliche Fans. Der wirtschaftliche Erfolg wurde von frühen Merchandising Maßnahmen begleitet. Der Refrain eines zeitgenössischen Radio-Hits etwa lautete: „Ich schenk Dir ein Baby, ein Steyr-Baby…“. In Fachzeitschriften gab es eine Leserbrief-Seite für Bildzuschriften á la „Tanteundonkelundichundmeinsteyrbaby auf der Turrach lächelnd“. Dabei war dieses Baby alles andere als günstig, obwohl behauptet wurde, dass der Wagen quasi zum Selbstkostenpreis abgegeben werde. Die Serienausführung in drei Wahlfarben und mit Kunstlederinterieur kostete stolze 4.500,- Schillinge. Die Spezialausführung unterschied sich durch die vordere und hintere Stoßstange, mehr verchromte Bauteile, andere Sitzpolsterung und einem zusätzlichen Kombiinstrument. Dieses Paket verteuerte den Wagen auf 5.000,- Schillinge. In Deutschland betrug der Preis des Babys 2.950 Reichs-Mark. Ab Februar 1938 wurde der stärkere Steyr Typ 55 angeboten, der anstelle von 22 PS nun 25,5 PS Leistung bot. Verbessert wurden auch die hinteren Schwingachsen. Der Verkaufsprospekt sprach auch noch von einer vollendeten Innenausstattung.